40 Jahre Zuchtarbeit der Fam. Fellmann: tolle Angus-Kühe mit exzellenten Leistungen auf Grünlandbasis

Tolles Fleischrinder-Treffen in der Schwäbischen Toskana

Mit einem Jahr Verspätung, Corona bedingt, trafen wir uns nach drei Jahren endlich in dieser Form wieder, am ersten Juliwochenende in der Region um die Löwensteiner Berge bei Heilbronn, als Schwäbische Toskana bekannt und beliebt. Die sanften Berge, das milde Klima, dazu viel Weinbau, man könnte tatsächlich glauben in Italien zu sein. Höchste Zeit, in diese herrliche Region einzuladen, zu dieser gemeinsam von der RBW und dem Landwirtschaftlichen Zentrum in Aulendorf (LAZBW) organisierten Informationsveranstaltung über zwei Tage.

Diesmal sollte es besonders ruhig und entspannend werden, mit viel Zeit fürs so vermisste Miteinander, viel Raum für Gespräche. Das Konzept ging voll auf, 30 bis 45 interessierte bis begeisterte Teilnehmer waren auf allen Betrieben dabei, rund 50 beim Züchterabend am Freitag; schön, dass auch Clara Dompert, die neue Zuchtleiterin der Limpurger, mit dabei war. Vier statt fünf Betriebe, kurze Wege sowie nur zwei Vorträge am Abend, das gab Raum für Geselligkeit.

Am Freitagnachmittag starteten wir auf dem Betrieb von Ilse und Günter Frank in Beilstein-Gagernberg, pünktlich wich der Regen dem Sonnenschein. Die vielen bereits Angereisten hatten sofort beste Laune, der Empfang war sehr herzlich mit Kaffee und Kuchen und kalten Getränken. Familie Frank züchtet seit 30 Jahren Zwergzebus, der Weinbau in den hängigen Lagen wurde altersbedingt aufgegeben, das gibt Kraft für den auf 12 Kopf reduzierten Tierbestand. Ihre Rinder kalben früh für eine Extensivrasse, im Mittel der letzten Jahre mit nur 27 Monaten.

Elegante und vor allem extrem zutrauliche Zwergzebus wurden uns von Günter Frank und Sohn Benjamin vorgestellt, gut mittelrahmig, feinknochig korrekt. Auch Silvan stammt von hier, der erste Zwergzebu-Besamungsbulle zumindest in Europa, in Herbertingen abgesamt. Seine Muttersmutter Serafine konnten wir in absoluter Frische mit bestem Exterieur kurz vor ihrer 10. Kalbung bewundern. Serafine ist als Kuh aktuell Top 4 der Zwergzebus in Deutschland im Hinblick auf Langlebigkeit und Fruchtbarkeit. Mit 8-8-8 K hat sie die höchste Bewertung aller Top-Kühe dieser Rasse national, diese kleinste aber beste der Familie Frank.

Nur 11 km entfernt, jedoch hinauf auf 470 Höhenmeter ging es dann zum Highland-Zuchtbetrieb von Kevin und Wilfried Schöneck in Oberstenfeld-Prevorst, der einzige der vier Betriebe, wo das Klima keinen Weinbau zulässt, dafür viel Grünland, ein wenig Acker und Wald. Highlands werden hier seit 18 Jahren im Nebenerwerb gehalten, Herdbuchzucht seit 2010. Knapp mittelrahmig und schwarz, so präsentierten sich nahezu alle Tiere, insgesamt rund 30 Kopf. Kenngrößen sind hier: 20 ha Grünland, 2 ha Wald, Winterstallhaltung und Direktvermarktung. Teilweise werden Highland-Absetzer für die spätere Vermarktung zugekauft. Schlachtung Rinder mit 20-28 Monaten (130-140 kg schieres Fleisch) bzw. Bullen mit 30-36 Monaten (160-180 kg Fleisch). Wunderbar war die Fahrt im offenen Planwagen zur idyllisch gelegenen Bullenweide, von Vater und Sohn Schöneck dabei bestens informiert und unterhalten, Pech, wer im Auto hinterherfuhr.

Am Abend konnte im herrlich gelegenen Flair Hotel Roger in Löwenstein hervorragend gespeist und auch übernachtet werden, einige blieben sogar länger. Alle genossen den gemütlichen Züchterabend bei bestem Essen mit Sauerbraten vom Angusrind des benachbarten Breitenauer Hofes der Fam. Fellmann. Alles war total lecker! Traditionell berichtete Zuchtleiter Dr. Schmidt zur Fleischrinderzucht in Baden-Württemberg, er bot diesmal Rückblick und Ausblick in Kurzform. Stichpunkte waren: Fleischrinderzucht nach Jahren der Zunahme jetzt stagnierend bis leicht rückläufig, Umsätze in 2020 und 2021 aufgrund Corona geringer (Exporte fehlten), Wolf ist zunehmend ein Thema bei uns und die Impfung Blauzunge bleibt weiter empfohlen auch bei Aufhebung der Sperrzone. Wichtiger Schlusspunkt war der Hinweis auf das geplante Zusammengehen von RBW e.V. und Rinderunion West e.G. zur Stärkung beider Zuchtorganisationen.

Als Hauptreferent des Abends sprach Dr. Jonas Weber, Referatsleiter für Grünland am LAZBW, zum Thema „Grünland und Weide im Klimawandel“. Kompetent und trotzdem nahbar ging er über rund eine Stunde sehr kurzweilig auf viele wichtige Punkte ein, wie Weidebesatzdichte und –dauer, Sortenwahl beim Grünland, Nachsaat, Unkräuter und Giftpflanzen sowie deren Bekämpfung. Insbesondere der Hinweis auf kompetente Ansprechpartner am LAZBW zu standortangepassten ertragreichen Sorten und Saatgutmischungen war wertvoll, da diese Kenntnisse auf Anbauversuchen in unserer Region basieren. Schön, einen solchen Referenten zu haben!

Höhepunkt für viele war sicher der Samstagmorgen mit der Planwagenfahrt durch die Weinberge rund um Löwenstein und Breitenauer See. Beide Wagen waren gut gefüllt, das Wetter sonnig und nicht zu heiß, perfekt! An zwei herrlichen Aussichtspunkten wurde gehalten, zur Weinprobe mit Württemberger der hiesigen Lagen. Zunächst ein süffiger Weißburgunder, beim zweiten Stopp ein fruchtig vollmundiger Weißherbst (Muskattrollinger). Wein um 10 Uhr morgens, nie gedacht, dass dies so munden kann! Natürlich wurde auch an einer der Weiden des Angus-Zuchtbetriebes Fellmann gehalten, Hannes Fellmann war Organisator dieser Morgentour und unser erster Betrieb am Samstag. Mittelrahmig, kerngesund glänzend, fast nur schwarz, so präsentierten sich seine Kühe mit Kalb bei Fuß. Die Fellmann GbR - Hannes, Margit und Sohn Joachim – bewirtschaftet im Vollerwerb 140 ha, davon 87 ha Acker, 43 ha Dauergrünland und 10 ha Wein in Höhenlagen von 200 bis 300 m. 40 Anguskühe mit 3 Bullen und 60 Kopf Nachzucht sowie der Weinbau sind die wirtschaftlichen Hauptstandbeine, mit Direktvermarktung über den Hofladen.

Auch hier gehen jedoch die Umsätze aktuell leicht zurück, viele müssen sparen. Regelmäßig werden Zuchtbullen auf Auktionen verkauft, dazu Rinder ab Hof in die Zucht, vor allem Export. Anguszucht begann hier schon vor fast 40 Jahren, aktuell wird auf BIO umgestellt. Bemerkenswert sind die überdurchschnittlichen Kennzahlen seiner Zucht, Betriebsdurchschnitte 10 Jahre: EKA 25 Monate, ZKZ 356 Tage, dazu Tageszunahmen Bullen um 1050 g, weiblich um 900 g; alles nur mit Weide, Grassilage, Heu und Mineralien. Am Hofgelände konnten noch Jungrinder mit einem selbst gezogenen, fleischreichen jungen Deckbullen sowie eine Gruppe Jungbullen sowie besichtigt werden.

Leckeren Gulasch vom Angus gab’s dann zu Mittag auf dem prächtigen uralten Breitenauer Hof der Fam. Fellmann, als Ensemble denkmalgeschützt und bestens instandgehalten. Danach ging‘s zu Fuß durch die Weinberge zurück zum nahen Flair-Hotel; von dort mit den eigenen Fahrzeugen zum letzten Betrieb, zur Hof Pfisterer GbR mit Jochen Pfisterer und den Söhnen Matthias und Michael in Bretzfeld-Scheppach. Höhenlage ca. 220 m um die Hofstelle, auch hier viel Weinbau. Kennzahlen: 80 ha im Vollerwerb, davon 40 ha Acker, 32 ha Grünland, 7 ha Wein und 1 ha Obst. Haupteinnahmen sind die Galloway-Herdbuchzucht seit 30 Jahren mit heute 15 Kühen, Deckbulle und Nachzucht mit Weidemast, Direktvermarktung und Verkauf weiblicher Absetzer. Dazu Pferdezucht (Württemberger Herdbuch) mit vier Stuten mit Nachzucht, 26 Pensionspferde sowie Schweinzucht und –mast (15 Sauen mit Eber und Mast der Nachzucht), ergänzt um den Wein- und Obstanbau. Die Jungbullen werden mit etwa 3 Jahren und 200-260 kg Schlachtgewicht vermarktet.

Beide Söhne haben sich für den Betrieb entschieden, Sohn Michael als gelernter Pferdewirt, professioneller Springreiter und Ausbilder, Sohn Matthias als Weinbautechniker. Mit Engagement und sehr viel Herz wurden uns zwei sehenswerte Stuten von Sohn Michael und Partnerin Anna vorgestellt, eine mit prachtvollem Hengstfohlen vom April 2022. Die Galloways übernahm dann Vater Jochen. Die Schweine, Reithalle und Pensionspferde wurden auf dem Weg „mitgenommen“. Bei den Galloways beeindruckte der neue Zuchtbulle Raymond, großrahmig, sehr gut bemuskelt, mit typischem Gallowaykopf, dazu sehr umgänglich. Sein Pedigree zeigt bekannte Namen: Vater Reiver Z14 Holsten, dazu als MV Bundessieger Palue, 988 M bewertet. Die ersten Kälber kommen, mal sehen wie er vererbt. Auch hier können die Kennzahlen der Zucht beeindrucken: EKA 26 Monate, ZKZ 358 Tage, besser geht kaum! Zum Nachmittag wurde es immer heißer, zum Glück meinte es auch Fam. Pfisterer sehr gut mit uns, unter Sonnschutz gab es Kaffee, kühle Getränke, natürlich auch guten Wein, wie kann es anders sein in dieser gottbegnadeten Gegend!

Festzuhalten bleibt - neben den fachlichen Eindrücken - vor allem die überragende Gastfreundschaft aller vier Zuchtbetriebe. Obwohl nur Getränke vorab angefragt waren, wurde kräftig aufgetischt: kalte Getränke bis hin zu Bier und natürlich Wein, Kaffee und Kuchen, zum Abschluss sogar Eis für alle, das war mehr als wir mangels Zeit genießen konnten! Unser herzlicher Dank allen gastgebenden Betrieben für das so warmherzige Entgegenkommen. Da geht einem nach langer zwischenmenschlicher Durststrecke das Herz auf, solche Betriebsbesuche wie bei Freunden machen glücklich, top!

Dr. Thomas A. Schmidt


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